Wenige Leute würden erwarten, dass Boxen und poetische Räume etwas gemeinsam haben. Die Vita des 1941 geborenen Tadao Ando vereinbart diese vermeintlichen Gegensätze.
Aufgewachsen in einem Shitamachi-Haus (Unterschichtenhaus – wörtlich: Unterstadt-Haus) in Osaka, besuchte Ando dort die Oberschule, arbeitete bei einem benachbarten Schreiner und einer Glasbläserei. Hier erwarb er das Gefühl im Umgang mit Materialien, welche heute einen wichtigen Teil seiner Architektur ausmachen. In seiner Nachbarschaft fand er auch einen Boxverein. Dort trainierte der Heranwachsende, bis er 1958 einen Profivertrag erhielt, der ihn zum Kämpfen nach Thailand brachte. Diese Zeit prägte das Weltbild des jungen Ando genau so sehr wie seine Reisen in den 60er Jahren. Seine Arbeit mit Holz führte zu Privataufträgen für Möbel und Innenräume. Die Entscheidung Architekt zu werden traf Ando angeblich, nachdem er ein Buch von Le Corbusier gelesen hatte. Ab 1965 reiste Ando vier Jahre lang durch Indien, Europa, Asien und Amerika und lernte Architektur im Selbststudium. 1969 eröffnete der Autodidakt mit Tadao Ando Architects and Associates sein eigenes Büro und heiratete Yumiko Kato, eine Assistentin.
Ando beschreibt sich selbst als kämpferischen Architekten. Existenzieller Kampf ist für ihn das sine qua non von Architektur: Ohne seine gesamten Kräfte und all seine Erfahrungen in den Ring zu werfen, ist der Architekt nicht in der Lage ein Werk zu schaffen, das Menschen in ihrem Wesen berührt. Der Kampf zieht sich durch die Projektphasen wie ein Boxkampf durch die Runden. Das Vereinbaren der Wünsche des Bauherrn mit seinen Mitteln. Die Verortung des Entwurfs in der Natur. Die Umsetzung des Bauvorhabens im Spannungsfeld technischer und rechtlicher Auflagen und die Beanspruchung der Materialien bis an ihre Grenzen sind ein Kampf, den der Architekt einsam in seinem Kopf ausficht.
1975-76 stellte er mit seinem Row-House in Sumiyoshi, Osaka ein erstes programmatisches, kämpferisches und anklagendes Gebäude fertig. Das Row-House ist ein sehr komplexes wiewohl archaisch-einfaches Hofhaus. Zwischen zwei aus Holz und Stein gebauten Shitamachi-Häusern sticht es mit seiner Bauform und Materialität hervor. Ausgeführt als ein flach gedeckter, rechteckiger, zweigeschossiger Betonkörper ohne Fenster wendet es sich vollständig von der Stadt und von den schlechten sozialen Bedingungen ab. Im Inneren ist es in drei gleich große Segmente unterteilt: Räume – Innenhof – Räume. Jedes der vier Zimmer ist nur über den zum Himmel offenen Innenhof erreichbar. Auf diese Art kehrt sich das Haus in sich selbst, ohne die Natur auszuschließen. Vielmehr werden die Tagesabläufe untrennbar mit der Witterung, das Innen mit dem Außen verwoben.
Den vollständigen Artikel lesen Sie in AFA Magazin Ausgabe 01/2012. Ältere Magazinausgaben sind in unserem Archiv zu erwerben.