„Barrierefreiheit“ bezeichnet im Allgemeinen die freie Zugänglichkeit und Benutzung von öffentlichen und privaten Räumen für Menschen mit Behinderung, älteren Menschen und Personen mit Kleinkindern. Aber auch jeder andere wird sicherlich schon einmal mit einem verstauchten Knöchel vor einer öffentlichen Treppen gestanden oder mühselig mit dem Fahrrad einen hinderlichen Bordstein überwunden und sich insgeheim eine barrierefreie Stadt gewünscht haben.
Heutzutage wird zunehmend nicht mehr lediglich auf die Nutzung durch einzelne Personengruppen abgestellt – früher wurde ja auch gehäuft im allgemeinen Sprachgebrauch von „behindertengerecht“ gesprochen – sondern mit „Barrierefreiheit“ zielt man inzwischen auf eine gleiche, freie Zugänglichkeit für alle Menschen ab. Es gibt sogar eine Organisation, die sich „Design für alle“ (EDAD) nennt und die sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern vertreten ist. Deren Ziel sind Produkte, Dienstleistungen und eine gebaute Umwelt, die besonders leicht und komfortabel für alle Personengruppen nutzbar sind.
Einen großen Einfluss auf die zunehmende Bedeutung von „Barrierefreiheit“ hat nichts desto trotz sicherlich auch der demografische Wandel. Die Bevölkerung wird stetig immer älter und damit weniger mobil. Daher ist das Thema „Barrierefreiheit“ insbesondere in den letzten Jahren immer mehr in das Bewusstsein von Architekten und Stadtplanern gerückt, denn es gilt, schon heute vorausschauend und nachhaltig zu bauen.
Auch seit dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes von 2002 und des Landes NRW (BGG NRW) vom 15. Dezember 2003, sowie den UN-Konventionen zum Schutz der Menschen mit Behinderungen, welche seit März 2009 für Deutschland verbindlich sind, ist die Gewährleistung eines gleichberechtigten, barrierefreien Lebens von Menschen mit und ohne Behinderungen Ziel der Politik. Konkrete Vorschriften hierzu finden sich inzwischen in den einschlägigen Regelwerken wie Landesbauordnung oder entsprechenden DIN-Normen.
Viele deutsche Städte haben Kommissionen und Arbeitskreise gebildet, die sich mit konkreten Planungen im Sinne dieser Regelwerke auseinandersetzen. Und so findet man heute bereits wie selbstverständlich verschiedenste konkrete Maßnahmen im Stadtbild wieder.
Übergeordnete Ziele für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, also in der Stadt, sind im Wesentlichen eine gute Orientierung in der Stadt sowie die barrierefreie Gestaltung der Infrastruktur. Je nach Stadt trägt die Kompaktheit der wichtigen öffentlichen Einrichtungen (Ämter, Einzelhandel, Banken etc.) im Zentrum bzw. den einzelnen Vierteln ebenfalls zur Barrierefreiheit bei. Dies ergibt sich durch möglichst kurze Wege zwischen diesen Einrichtungen und der Wohnung.
Zu den gängigen ganz konkreten Maßnahmen, die durch oben genannte Kommissionen und Arbeitskreise in den Städten umgesetzt werden, gehören beispielsweise Aufzüge und Rolltreppen an U-Bahnlinien und öffentlichen Treppen, Mindestgehwegbreiten, Gehwegabsenkungen an Überwegen sowie Wege aus rutschfestem, ebenem und erschütterungsarmem Material. Pflasterungen werden gemeinhin als eher hinderlich eingestuft, wobei sich diese in historischen Städten natürlich nicht allerorts verhindern lassen. Aber auch Pflasterungen lassen sich durch schmale Fugen und eine rutschfeste und dennoch ebene Oberfläche angenehmer gestalten. Stopplinien vor stark befahrenen Straßen sollten sowohl in optischer als auch in haptischer Hinsicht auffällig gestaltet werden, um auch von sehbehinderten Menschen wahrgenommen zu werden. In diesem Zusammenhang sind auch die lichtsignalgeregelten Überwege erwähnenswert, die häufig mit Taktgebern und Vibrationsplatten ausgestattet sind.
Das Beseitigen von Hindernissen gehört ebenfalls zu den konkreten Maßnahmen in der Stadtgestaltung. Beispielsweise ist es wichtig, Abstände zwischen Pollern zu lassen, um das Durchkommen mit dem Rollstuhl zu gewährleisten und städtische Einrichtungsgegenstände wie Werbetafeln, Bänke und Müllbehältnisse nicht innerhalb von Laufwegen zu platzieren. Es gilt, Stolperfallen zu vermeiden. Hierzu gehört es beispielsweise auch, eine Mindesthöhe von 90 cm für Poller vorzusehen oder Sockel vor Infopoints für Blinde.
Neben diesen gängigen Maßnahmen nimmt auch die Tourismusbranche das Thema „Barrierefreiheit“ zunehmend ernster. So werden in bestimmten Regionen nicht nur barrierefreie Urlaubsdomizile angeboten, sondern es wird auch in den Urlaubsorten und -städten Wert auf Barrierefreiheit im öffentlichen Raum sowie auf den Ausflugsrouten und an deren Zielen gelegt. Auf Bundesebene wird Barrierefreiheit als potenzielles Markenzeichen des Tourismus in Deutschland gewertet. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), das Deutsche Seminar für Tourismus (DSFT) Berlin e.V. und die Nationale Koordinationsstelle Tourismus für Alle e.V. (NatKo) haben ein bundesweite Kennzeichnungssystem für Barrierefreie Urlaubsstätten und -orte vorgestellt das ab Herbst 2013 umgesetzt wird.
Durch geprüfte Qualität können Informationen zu Nutz- und Erlebbarkeit touristischer Infrastruktur, Angebote und Dienstleistungen in Erfahrung gebracht werden und so die Reiseentscheidung für Touristen erleichtern, die auf eine umfassende barrierefreie Umgebung angewiesen sind. Das neue Kennzeichnungssystem sieht bundeseinheitliche Piktogramme vor, um Verbraucher beispielsweise über die Zugänglichkeit von Hotels und Sehenswürdigkeiten zu informieren. Mit deutschlandweit einheitlichen Kriterien und Kennzeichnungen werden mehr Transparenz und gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen.
Es gibt in Deutschland außerdem auch immer wieder Wettbewerbe, die Städte und deren individuelle Projekte würdigen, sofern sie sich vorbildlich mit Barrierefreiheit auseinandergesetzt haben. Aber nicht ausschließlich in Deutschland ist dies ein Thema, sondern natürlich weltweit. Auf europäischer Ebene wird seit 2010 der „Access City Award“ also der Preis „Barrierefreie Stadt“ vergeben. Es sollen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern ermutigt werden, die Barrierefreiheit in der Stadt weiter zu verbessern und sich gegenseitig auszutauschen. Eine Broschüre mit Berichten über die Teilnehmer des vorangegangenen Wettbewerbs gibt wertvolle Tipps und Hinweise über erfolgreiche teilweise sehr innovative Projekte. Der Preis wird schließlich an diejenige Stadt vergeben, deren Projekte, Aktivitäten und Strategien am meisten überzeugen konnte.
Besonderes Augenmerk bei der Bewertung wird auf die Aspekte gebaute Umwelt und öffentliche Räume, Verkehr und zugehörige Infrastrukturen, Information und Kommunikation einschließlich neuer Technologien (IKT) sowie öffentliche Einrichtungen und Dienste gelegt. 2013 hat Berlin vor Nantes und Stockholm gewonnen. Die Broschüre mit Informationen zu den einzelnen Projekten wird auf der Homepage der Europäischen Kommission zur zum Download zur Verfügung gestellt.
Man kann also feststellen, dass in den vergangenen Jahren das Thema Barrierefreiheit, das für Architekten mit öffentlichen Bauherren schon längst nichts Neues mehr ist, nun auch offiziell im öffentlichen Raum angekommen ist und lässt die Vorstellung von einer barrierefreien Stadt für alle deutlich näher rücken.
Autorin: Eva Kruse-Bartsch