Seit die Bundesregierung den Rechtsanspruch für eine Kinderbetreuung von unter Dreijährigen beschlossen hat, herrscht ein wahrer Bauboom für Kindertagesstätten und Kindergärten. Bestehende Einrichtungen werden umgebaut, erweitert und auch neue Betreuungsstätten werden gebaut. Doch nicht nur an die Betreuung von unter Dreijährigen werden besondere Anforderungen gestellt. Auch die Bauaufgabe „Bauen für Kinder“ stellt an die beteiligten Planer und Architekten andere Ansprüche als bei herkömmlichen Bauvorhaben. Da die Kinder Hauptnutzer der zu schaffenden Räume sind und eine deutlich andere Statur haben als Erwachsene, darf sich die Planung nicht nur an den Erwachsenenmaßstäben orientieren. Wichtig ist hier auch einmal den Standpunkt des Betrachters zu wechseln und die Planung mit den Augen eines Kindes zu sehen.
Neben den erhöhten Ansprüchen an die Unfallsicherheit ist vor allen Dingen die Größe der Kinder zu beachten. Sanitärobjekte die auf Normhöhen eingebaut sind, können Kinder nicht optimal nutzen. Daher ist es angebracht die Einbauhöhen auf eine passende Nutzungshöhe für die Kinder abzustimmen. Das beginnt bei den Sanitärobjekten und zieht sich über das Mobiliar bis hin zu den Brüstungshöhen der Fenster hin. Eine reguläre Brüstungshöhe eines Fensters beträgt in der Regel 90 cm. Das entspricht in etwa einer Körpergröße eines Dreijährigen Kindes. Demnach könnten die Kinder nicht ohne ein Hilfsmittel aus dem Fenster schauen. Laut Bauordnungsrecht muss ein Fenster aber ab einer Absturzhöhe von bis zu 12 m eine Brüstungshöhe von mindestens 0,80 m, bei einer Absturzhöhe von mehr als 12 m mindestens 0,90 m hoch sein. Lediglich im Erdgeschoss sind Unterschreitungen zugelassen. Alternativ dazu kann die erforderliche Brüstungshöhe auch über eine „brüstungsähnliche Vorrichtungen“ erbracht werden. (vgl. § 41 Landesbauordnung NRW) Für die Praxis bedeutet das, dass Räume für eine Kinderbetreuung optimal im Erdgeschoss anzusiedeln sind. Ist das nicht möglich, so ist es an den Planern sich geeignete Maßnahmen zu überlegen, die zum einen die Anforderungen an die Sicherheit erfüllen, zum anderen aber auch die Bedürfnisse der Kinder nach einem problemlosen Ausblick aus dem Fenster berücksichtigen. Eine Lösung könnten beispielsweise vorgesetzte Glasbrüstungen sein.
Insgesamt ist das Thema Kindertagesstätten und Kindergärten bauordnungsrechtlich ein heikles Thema. Gemäß der Landesbauordnung NRW zählen diese zu den Sonderbauten nach §54 LBO NRW. Für den Bau von Schulen gibt es in NRW die Schulbaurichtlinie, die sich auch mit dem Thema Brandschutz befasst. Eine solche Sonderbaurichtlinie gibt es bisher leider noch nicht für den Bau von Kitas und Kinderhorten. Das Bauministerium des Landes NRW hat im Jahr 2011 im Rahmen einer Dienstbesprechung eine Niederschrift verfasst, die gemäß einer Landtagsanfrage im November 2011 durch den Abgeordneten Dr. Jörg Geerlings, CDU als geltende Niederschrift bestätigt wurde und damit ausdrücklich für die Bauaufsichtsbehörden als verbindlich gilt. (vgl. Kleine Anfrage 1330 vom 21. November 2011 des Abgeordneten Dr. Jörg Geerlings CDU, Drucksache 15/3476) Diese Niederschrift hat somit Erlasscharakter und beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen wie Brandschutz, Stellplatzbedarf, Schallschutz etc.
Für das Bundesland Bayern wurde vom Bayerischen Landesjugendamt sogar extra für die Tagespflege von mehr als fünf Kindern ein Praxisleitfaden herausgegeben, der sich neben den oben genannten Punkten auch mit den Anforderungen an die Räumlichkeiten beschäftigt.
Neben den rechtlichen Bestimmungen ist bei der Planung einer Betreuungseinrichtung für Kinder auch ein besonderer Blick auf die Institution „Kindergarten“ bzw. „Kinderhort“ zu werfen. Dass ein Kindergarten nur noch der zeitweisen Unterbringung der Kinder dient, ist längst ein Relikt aus vergangener Zeit. Heutzutage werden Einrichtungen zur Kinderbetreuung immer mehr als Bildungseinrichtung verstanden. Darauf müssen auch die architektonischen Konzepte reagieren. Viel Platz für Bewegung und Spielen aber auch Räume für kreative Gestaltung, Sprachförderung und Ruheräume. Wenn möglich sollte auch ein Außenbereich mit Kletter- und Spielmöglichkeiten geschaffen werden.
Im Vordergrund der Planung sollte die Anregung der sensorischen und motorischen Fähigkeit der Kinder stehen. Ebenso wichtig ist die Erfahrung von ersten Sozialkontakten und das Erlernen von Sozialverhalten. Durch bewusst angelegte Gemeinschafts- und Ruhezonen kann dieses gezielt gefördert werden.
Mit der Anlegung von unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen entsteht zudem für die Kinder eine feste Struktur, an der sie sich orientieren können und die ihnen Sicherheit gibt. Beginnt der Kindergartentag jeden Morgen im Gemeinschaftsraum mit einer Begrüßungsrunde und endet nachmittags in der Kuschel- und Leseecke, können sich die Kinder anhand des Rituals schon einmal mental auf den nächsten Schritt vorbereiten. So fällt einigen Kindern vielleicht auch der Abschied nicht mehr so schwer.
Ein weiterer Vorteil von einer Zonierung ist das Erleichtern zum Einhalten von Regeln. Darf an dem einen Tag im Gemeinschaftsraum getobt und gerannt werden und am anderen Tag soll dort in Ruhe gemalt werden, lässt sich einem Kind schwer begreiflich machen warum das heute erlaubt und morgen verboten ist. Wenn klar ist, dass in der Leseecke das Rennen und Toben verboten ist und es dafür einen eigenen Bewegungsraum gibt in dem die Kinder sich jagen und fangen spielen dürfen verstehen die Kinder die aufgestellten Regeln besser. Haben die Kinder die Regeln einmal verstanden, lassen sich diese auch einfacher durchsetzen.
Als Ergebnis wäre wünschenswert durch die architektonische Raumkonzeption die Phantasie und Eigeninitiative der Kinder anzuregen und sie so zum selbstständigen Ausprobieren und Gestalten zu verleiten. Gemeint ist an dieser Stelle nicht nur eine farbliche Gestaltung der Räumlichkeiten, sondern das geschickte Zusammenspiel von Raumkonstellationen und Möblierung in Verbindung mit dem effizienten Ausnutzen von viel Tageslicht und frischer Luft.
Doch auch die Bedürfnisse der Betreuungspersonen dürfen nicht vernachlässigt werden. Angefangen von Büroräumen für die Verwaltungsangelegenheiten über Besprechungsräume bis hin zu Sanitärräumen für Angestellte und erwachsene Besucher. Ebenso elementar sind die Wickelräume. Diese sollten sowohl für die Kinder angenehm gestaltet sein, aber auch für die Erzieher den größtmöglichen Arbeitsplatzkomfort bieten. Denn wenn es gelingt mit gut durchdachten Konzepten und intelligenten Möbelstücken die täglichen Arbeitsabläufe besser zu strukturieren und eventuell sogar zu vereinfachen bleibt unter dem Strich mehr Zeit übrig für die, um die es eigentlich in der Hauptsache gehen sollte: Die Kinder.
Autorin: Dipl. – Ing. (FH) Arch. Sarah Zietek