Chile ist ein Staat im Südwesten Südamerikas und erstreckt sich über eine Länge von 4300 km entlang der Küste des Pazifischen Ozeans. Damit besitzt Chile die längste Küste der Welt und bietet eine große Vielfalt an landschaftlichen Kontrasten. Im Norden des Landes befindet sich die Atakamawüste, die als die trockenste Wüste der Welt gilt. Man könnte demnach leicht annehmen, hier gäbe es nur karges Ödland zu sehen. Dem ist nicht so: mit ihren zahlreichen Salzfeldern, Oasen, Geysiren, Seen sowie den Flamingos in der Lagune Chaxa, gehört die Atakamawüste zu den abwechslungsreichsten Reisezielen in Chile.
In seiner Mitte besticht das Land mit mediterran anmutenden Küsten und überrascht schließlich im Süden mit beeindruckenden Fjorden und Gletschern. Da Chile ein Teil des pazifischen Feuerrings ist, begegnen einem vielerorts Vulkanlandschaften. Im Norden, von der Grenze zu Peru bis südlich der Atacama Wüste, befinden sich eine ganze Reihe aktiver Vulkane. Auch in der Nähe von Santiago de Chile gibt es einige.
Plant man nun eine Architekturreise durch Chile so wird der Ausgangspunkt in aller Regel die Hauptstadt Santiago de Chile, kurz Santiago, sein. Schon deshalb, weil die meisten Flüge aus anderen Kontinenten in diese Stadt führen. Die Hauptstadt Chiles liegt im Zentrum des Landes auf 550 Metern Höhe in einem Talkessel am Fuß der Anden. Da Santiago in einem Erdbebengebiet liegt wurden Teile der Stadt regelmäßig zerstört, so dass sich die Architektur immer wieder erneuert hat. Heute findet man daher neoklassizistische Bauwerke aus der spanischen Kolonialzeit neben moderner Architektur. Im Vergleich zu anderen Großstädten Lateinamerikas geht es Santiago wirtschaftlich sehr gut, was auch in den neuen Bürohochhausvierteln zum Ausdruck kommt. Aktuell wird im Nordosten der Stadt ein Bürogebäude, der Gran Torre Santiago, hochgezogen. Das Gebäude ist schon heute mit seinen 300 m das höchste in Südamerika. Die offizielle Einweihung wird für 2014 erwartet.
Widmet man sich zunächst den älteren Bauwerken, kommt man an einer Besichtigung des Palacio de la Moneda in der Calle Moneda, nicht vorbei. Erbaut von 1786-1812 im neoklassizistischen Stil nach den Plänen des Architekten Joaquín Toesca handelt es sich hierbei ursprünglich um Chiles Münzprägeanstalt. Joaquín Toesca war Italiener der in der Kolonialzeit für den spanischen König in Chile tätig war. Der Palast wurde schließlich durch den Militärputsch von 1973 weltweit bekannt als der damalige General und spätere Diktator Augusto Pinochet den amtierenden Präsidenten Salvador Allende stürzte. Bis heute ist es der Präsidentenpalast. Auffällig ist, das das Gebäude etwa dreimal so breit wie hoch ist, was die Stabilität der Regierung symbolisieren soll. Der Palast umfasst einen ganzen Häuserblock. Dessen Innenhöfe sind zu bestimmten Zeiten für die Öffentlichkeit zugänglich.
Ein weiteres traditionelles Wahrzeichen ist die Iglesia de San Francisco, eine franziskanische Kirche aus dem 16. Jahrhundert, die sich an der Avenida Libertador General Bernardo O’Higgins befindet. Sie ist ein dreischiffiger basilikaler Bau mit Steinfundamenten, Backsteinmauerwerk, Steinstützen, Holzdachkonstruktion und Dachziegeln. Da sie als einzige Kirche sämtliche Erbeben nahezu schadlos überstanden hat, ist sie inzwischen Chiles älteste Kirche. Lediglich der Turm musste mehrmals erneuert werden. Der aktuelle Turm ist im Stil der viktorianischen Architektur errichtet worden. Direkt neben der Kirche befindet sich das ehemalige Kloster Convento de San Francisco.
Ein Gebäude, das einen Brückenschlag zwischen Alt und Neu darstellt, ist das ehemalige Diego Portales Gebäude an der Hauptverkehrsstraße Alameda. Es war ursprünglich unter Salvador Allende errichtet worden und beherbergte Regimeinstitutionen. Das schmucklose und abweisend wirkende Gebäude wurde 2006 durch einen Brand größtenteils zerstört. 2010 wurde es nach Plänen von Cristian Fernandez Arquitectos und Lateral Arquitectura wieder auf- und umgebaut. Heute befindet sich dort ein Kulturzentrum mit Dokumentationszentrum über Kunst und Musik, eine Probebühne und ein großer Vorführungssaal für 2.000 Zuschauer. Die tragende Gebäudekonstruktion besteht aus Stahl- und Sichtbeton. Außerdem wurden Stahl, Glas und Holz eingesetzt. Charakteristisch ist der Einsatz von Cortenstahl in der Fassade. Die rostrote Optik soll symbolisch eine sichtbare Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schaffen.
Es lohnt sich im Anschluss ein Spaziergang über die Alameda, da man hier immer wieder auf Häuser im Kolonialstil neben moderner zeitgenössische Architektur stößt – auf Monumente und öffentliche Gebäude, wie z.B. die Nationalbibliothek.
Möchte man von Santiago aus weiter den Norden Chiles bereisen, so kann man einen Flug in die nördlich gelegene Atacamawüste buchen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit nach Calama zu fliegen. Als idealer Ausgangspunkt zu den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung bietet sich San Pedro de Acatama an. Es ist mit knapp 2000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Siedlung der Gegend. Vor Ort kann man die 400 Jahre alte Adobe-Kirche Iglesia de San Pedro und das Archäologische Museum Museo Archéologico Padre le Paige besichtigen.
Von San Pedro aus gelangen Reisende, die Interesse an der Geschichte Chiles haben nach Pukará de Quitor. Hierbei handelt es sich um die Ruinen der Flucht- und Wohnburg aus der Zeit von 1300 n. Chr.. Erbaut wurde die Siedlung von den Atacameños, den Gründern der so genannten San-Pedro Kultur. Es gibt noch insgesamt 164 Gebäude, bzw. deren Überreste zu besichtigen.
38 km weiter südlich liegt Toconao, ein kleines Dorf, in dessen Zentrum die Kirche mit dem weißen Glockenturm steht. Der Turm steht separat neben der eigentlichen Kirche. Auch die übrigen Häuser sind aus weißem Vulkanstein (Tuffstein) gebaut und bilden einen malerischen Anblick.
Wer es etwas ungewöhnlicher mag, den reizen möglicherweise die Geisterstädte der ehemaligen Salpeterminen, die man weiter westlich zwischen Antofagasta und Iquique findet. Die Städte entstanden hier Ende des 19. Jahrhunderts bis Mitte des 20 Jahrunderts. Als aber Deutschland als größter Abnehmer während des 2. Weltkrieges nicht mehr beliefert werden durfte, wurde der Abbau eingestellt. Die Arbeiter verließen die Kleinstädte, und man kann heute noch die teilweise zerfallenen, geisterhaft wirkenden Wohngebäude, Freizeiteinrichtungen und Industriebetriebe besuchen. Chacabuco ist eine dieser Städte. Ursprünglich lebten hier 10.000 Menschen. Nachdem die Mine 1938 geschlossen wurde funktionierte Pinochet die verlassene Stadt kurzerhand zum Gefangenenlager um.
Wer abschließend den Norden des Landes bereisen möchte, dem sei unter architektonischen Gesichtspunkten ein Abstecher auf die Insel Chiloé empfohlen, Südamerikas zweitgrößte Insel. Sie ist wegen ihrer Holzkirchen und der typischen Pfahlbauten bekannt geworden und lebt inzwischen überwiegend vom Tourismus aber auch von der Fischerei und Landwirtschaft. Castro ist Hauptstadt der Insel. Die berühmten Holzkirchen der Stadt wurden 2000 zum Weltkulturerbe ernannt. Eine davon ist die Iglesia de San Francisco an der Plaza de Armas mitten in Castro. Eine weitere sehenswerte Holzkirche ist die Iglesia Nuestra Señora de Gracia im 5 km entfernten Ortsteil Nercón, die 1886-90 hauptsächlich aus dem Holz der Coihue-Südbuche, einem besonders feuchtigkeitsresistenten Holz erbaut wurde. Eine weitere Attraktion sind die so genannten Palafitos. Das sind die Pfahlbauten am Strand, in denen überwiegend Fischer wohnen. Um die Erreichbarkeit mit dem Boot zu erleichtern, wurden sie direkt an den Strand ins Wasser gebaut. Sie besitzen in der Küche eine Klappe nach unten zum Strand bzw. Meeer, so dass die gefangenen Fische direkt vom Boot aus am Ort ihrer Bestimmung abgeladen werden können. Auch die einfachen, bunten Holzhäuser im ländlichen Chiloé verfügen über eine Besonderheit. Sie sind so leicht konstruiert, dass eine Familie mitsamt des Hauses umziehen kann. Regelmäßig werden die Häuser mittels Ochsenkarren und vieler helfender Hände umpositioniert.
Chile bietet also über seine gesamte Länge sowohl in landschaftlicher als auch in kultureller und architektonischer Hinsicht vielfältige Ausflugsziele und hat letztlich noch jeden Besucher in seinen Bann gezogen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Chilenen als besonders gastfreundliche Menschen gelten.
Autorin: Eva Kruse-Bartsch