Cukrowicz Nachbaur Architekten

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„Die Komplexität des Einfachen“. So lautete unlängst der Titel einer Ausstellung in der Architekturgalerie Berlin.

Das Streben nach einer Einfachheit der Dinge entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis. Architektonische Einfachheit, Purismus, Reduktion auf das Wesentliche sind nicht zu verwechseln mit Simplizität. Im Gegenteil: Die Besinnung auf Wesentliches stellt komplexe Anforderungen an eine Bauaufgabe. Eindeutigkeit bis hin zur Kompromisslosigkeit in Funktion und Materialität, Überwindung von Konservativismus und maskierender Überladenheit. Um einer solchen Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es sorgfältiger Überlegungen. Vielleicht erfordert es auch manchmal Mut, sich darauf einzulassen, die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Nicht nur vom Baukünstler, auch vom Betrachter.

Sturm arbeiten seit 1992 zusammen, 1996 gründen sie ihr Büro CN Architekten am Standort Bregenz. Ihr architektonischer Stil beruht im weitesten Sinne auf der Neuen Vorarlberger Bauschule. Diese steht in Abkehr von der traditionellen lokalen Formensprache für moderne und alltagsfähige Architektur im Alpenraum.In dritter Generation dieser Schule haben insbesondere Architekten wie Cukrowicz und Nachbaur eine neue Alpenarchitektur etabliert, die „eine Wende von den konstruktiv „zusammengesetzten“, Skelettbauten der ersten und zweiten Generation der „Baukünstler“ zur homogenen Materialität von Massivholztechnik und Raumschalen aus Beton.“ markiert.Eine Reihe an Wettbewerbserfolgen zog Mitte der 1990er-Jahre die Aufmerksamkeit auf CN Architekten. Internationale Bekanntheit erlangten sie 2013 durch den Neubau des Vorarlberg Museums in Bregenz.
Wesentliche Merkmale ihrer Architektur sind „Bescheidenheit und Selbstverständlichkeit“. Dem entsprach auch das Ausstellungskonzept in puncto Schlichtheit und Intensität. Es offenbarte das architektonische Verständnis des Bregenzer Duos: Auf dem Vorplatz der Galerie wurden 2 Holzstapel als Sitzgelegenheiten geschichtet und damit ein Bezug zwischen der vornehmlich  regionalen Architektur der beiden Österreicher und der Urbanität des Ausstellungsortes an der Karl-Marx-Allee hergestellt. Die Wände der Ausstellungsräumlichkeiten umhüllte raumhoch ein anthrazitfarbener Lodenvorhang. Schaufenster und Türen wurden mit einer lichtdurchlässigen, mit Holzstruktur bedruckten Folie beschichtet. Dies bewirkte nahezu ein Abschottung der Ausstellung von der lebhaften Berliner Außenwelt und ermöglichte einen klaren, ruhigen Fokus auf die Präsentation.

Auf einem großen und langen Tisch lagen Projektmappen aus, ergänzt durch eine Vielzahl an Materialproben. Stühle und Leselampen luden den Besucher ein, sich nicht nur visuell und  intellektuell, sondern auch haptisch anhand der Materialproben mit den Arbeiten vertraut zu machen. Präsentiert wurden 8 Arbeiten aus dem inzwischen über 300 Projekte umfassenden Portfolio der Architekten: Die Bergkapelle Andelsbuch, Wohnhaus N Hittisau, Gemeindezentrum St. Gerold, Feuerwehr- und Kulturhaus Hittisau, Volksschule Doren, Vorarlberg Museum Bregenz, Stadtbad Dornbirn und die Landesgedächtniskapelle Rankweil.
Einen ausgezeichneten Überblick über die Arbeit der beiden Architekten verschafft zudem die erste, parallel zur Ausstellung bei Park Books Zürich erschienene Monographie „Cukrowicz Nachbaur Architekten“. Die Monographie stellt die in Berlin gezeigten Arbeiten im Stile eines Logbuchs samt einer Vielzahl an Fotografien und Plänen ausführlich vor. Zusätzlich  enthält sie einen über 100 Projekte umfassenden Auszug aus dem Werkverzeichnis. Weiteren Zugang zu Denk- und Arbeitsweise sowie Werkrezeption eröffnen Essays von renommierten Architekturtheoretikern, Künstlern, Schriftstellern und den Architekten selbst.

Als beispielhaftes Projekt soll das im Jahr 2000 im Rahmen eines Wettbewerbs realisierte Feuerwehr- und Kulturhaus Hittisau hier vorgestellt werden. Eine Herausforderung bei diesem  Gebäude stellte die erwünschte Mehrfachnutzung des Baus dar, nämlich als Feuerwehrhaus, Musikprobelokal und Ausstellungsraum. Zudem waren die Grundstücksverhältnisse eingeschränkt. Der vorgesehene Bauplatz befand sich oben am Rand des Plateaus einer ehemaligen, inzwischen bebauten Kiesgrube: in dörflicher Randlage, aber dennoch zentral. Richtung Süden fällt das Gelände steil ab. In unmittelbarer Umgebung befinden sich eine Schulanlage, ein Lagergebäude und angrenzend ein kleines Sägewerk mit Holzlagerplatz. Die topographische Besonderheit nahmen die Architekten auf und nutzten sie für die funktionale Gliederung des Baus. Das nördliche Gelände wurde bis auf das Niveau des Holzlagerplatzes abgegraben, dort entstanden Garagen und der Vorplatz für die Feuerwehr im Untergeschoss. Eine notwendige Stützmauer wurde als skulpturale Mauer über die Außenwand in 2 horizontale 90-Grad-Wendungen weitergeführt. Ihren Abschluss bildet ein vertikaler Turm, der den Feuerwehrhof markiert. Der Eingang des Kulturzentrums liegt etwa 5 m über der Ebene der Feuerwehrzufahrt. Dort sind das Musikprobelokal, Ausstellungsfläche sowie Schulungsraum untergebracht. Zudem ist der Kulturbereich in eine andere Richtung orientiert, in einer 90-Grad-Wendung zur Feuerwehr mit offener Blickrichtung zum Dorfzentrum. „Er hat andere Inhalte, andere Benutzer und eine völlig andere Geschwindigkeit. Von der Feuerwehr gehen sehr schnelle Bewegungen aus, wohingegen die Räume der Kultur der Sammlung und Annäherung an Themen dienen, dem ruhigen Verweilen, dem Betrachten von Objekten, dem Hören von Musik und Worten.“

Die Unterschiedlichkeit der Inhalte repräsentieren auch die verwendeten Baumaterialien. Sichtbeton, verzinkter Stahl und Glas interpretieren klar Technik und Funktionalität des Feuerwehrbereichs. Der zweigeschossige Kulturkubus kontrastiert mit einer Oberfläche aus ortstypischer, unbehandelter Weißtanne. Für die Wände wurde das Holz gehobelt, für den Boden gesägt, die Decke besteht aus fein gehobelten Holzleisten. „Durch die astfrei gehaltenen Oberflächen der Weißtanne wirkt das Holz scheinbar entmaterialisiert. ohne jedoch zu verschwinden. Es tritt in den Hintergrund, wodurch der Raum eine gewisse Leichtigkeit erhält. Die ausgestellten Objekte rücken in den Mittelpunkt, da der Raum zum Gefäß wird.“ Verschärft wird der Kontrast der Funktionsbereiche durch einen Geländesprung zwischen Kulturbereich und erforderliche Raumhöhe der Feuerwehr. Die ca.1 m große Differenz wurde als umlaufendes Glasoberlicht ausgestaltet und dient als natürlich Lichtquelle für die Feuerwehr.Nicht nur die Interpretation der Inhalte durch die Oberflächen des Gebäudes, ebenso die Klarheit in Anordnung der Funktionsbereiche innerhalb, die Einbettung in die örtlichen Gegebenheiten und nicht zuletzt die Verwendung traditioneller lokaler Baumaterialien zeigen am Beispiel des Feuerwehr- und Kulturhauses Hittisau, wie architektonische Reduktion auf Wesentliches einen qualitativen Gewinn erzeugen kann. Ein Gewinn, der Traditionen nicht vollständig negiert sondern in radikaler Einfachheit ihre Essenz sicht- und erfahrbar macht.

Der österreichische Architekturwissenschafter Otto Kapfinger schreibt: „Cukrowicz Nachbaur interpretieren Aufgaben und Materialien aus dem Kontext – präzise, einfach und selbstverständlich. Sie bringen komplexe Anforderungen zu unerwartet klaren und ökonomischen Lösungen mit Mehrwert. Sie schaffen mit Holz, Glas und Beton. mit natürlichen Oberflächen, mit stimmigen Lichtführungen und perfekten Proportionen robuste, inspirierende Räume für alle Sinne – starke und zugleich gelassene Architekturen für die Entfaltung aller Aktions- und Spielräume des Lebens.“
Autorin: Claudia Bassier