Der für seine skulptural, puristischen Bauten aus Beton, Stahl und Glas bekannte Kölner Architekt Gottfried Böhm feierte am 23. Januar diesen Jahres seinen 95. Geburtstag. Gefeiert wurde dieser Tag nicht etwa im Kreise der Familie, sondern mit einer großen Premierenfeier des Kinofilms „Die Böhms – Architektur einer Familie“ im Kölner Weißhauskino.
Zum Anfang des Jahres bekam ich die Gelegenheit einen der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts kennen zu lernen – Gottfried Böhm. Das Interview fand im Zentrum der böhmschen Kreativität statt – im von Großvater Dominikus Böhm erbauten Wohnhaus, welches den Kölner Architekten heute als Büro dient. In der Fensternische eines Konferenzraumes, mit Blick auf den Garten, sitzt Gottfried Böhm in seinem Korbstuhl. Nach einer freundlichen Begrüßung nehme auch ich Platz. “Könnte ich dies noch kurz zu Ende lesen?”, werde ich gebeten. Erst jetzt sehe ich den großen Stapel Geburtstagskarten vor dem Architekten auf dem Tisch liegen. Im gesamten Raum finden sich architektonische, aber auch künstlerische Zeichnungen, Modelle und Figuren. Auch die von Gottfried Böhm angefertigte Büste seines Vaters, Dominikus Böhm, wird hier ausgestellt. Auf der Fensterbank, direkt neben dem Architekten, steht ein Bild seiner 2012 verstorbenen Frau.
Gottfried Böhm, Sohn des für seine Sakralbauten bekannten Architekten Dominikus Böhm, begann seine Ausbildung mit einem Studium der Bildhauerei. “Ich hatte natürlich großen Respekt vor der Arbeit meines Vaters.”, erzählt er. Erst etwas später fasste er den Entschluss in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und begann zusätzlich mit einem Architekturstudium an der TU München. Dort lernte er seine zukünftige Frau, Elisabeth Böhm, kennen. 1947 verhalf ihm sein Vater zu seinem ersten Projekt, dem Bau der Kapelle “Madonna in den Trümmern” der zerstörten Kirche St. Kolumba in Köln. Bis heute gehört dieses Projekt zu den Lieblingsprojekten Gottfried Böhms. “Mein Vater hat mir immer sehr viel geholfen und ich hoffe natürlich, dass ich für meine Kinder eine genauso große Stütze war.” Im durch den zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Rheinland konnte der junge Architekt seine Begeisterung für die sakrale Bauweise ausleben. Es folgten viele weitere Projekte auch über die Grenzen des Rheinlandes hinweg.
Zu seinen bekanntesten Projekten gehört die Wallfahrtskirche Maria, Königin des Friedens in Velbert-Neviges, obwohl der junge Architekt den ausgeschriebenen Wettbewerb gar nicht gewann. Dem damaligen Kardinal Frings ist es zu verdanken, da dieser auf Grund seiner eingeschränkten Sehfähigkeit die Modelle abtastete. Der Böhmsche Entwurf sagte ihm dabei so sehr zu, dass ein neuer Wettbewerb mit neuen Vorgaben ausgeschrieben wurde. Bei diesem dann belegte Gottfried Böhm den ersten Platz. Für diesen Bau und das zeitnah entstandene Bensberger Rathaus erhielt Böhm 1967 und 1968 seine ersten Architekturauszeichnungen. Die größte Ehrung seiner Arbeit wurde dem Architekten 1986 in London zu Teil, als er als erster deutscher Architekt den Pritzker-Preis verliehen bekam. Auf meine Frage, was ihm dieser Preis bedeute, antwortete Herr Böhm ganz kurz: “Ich habe mich gefreut.”, und erzählt daraufhin lächelnd wie seine Frau während seiner Dankesrede (auf Englisch) den Saal verließ. Ob vor Rührung, oder auf Grund der etwas holprigen englischen Ansprache ihres Mannes, lässt Gottfried Böhm offen.
Auch Elisabeth Böhm war Architektin, doch um sich um die Kinder zu kümmern und den Ehemann zu unterstützen stellt sie ihre Karriere hinten an. Sie stärke ihrem Mann zu jeder Zeit den Rücken und kümmerte sich hingebungsvoll um die vier Söhne. Ohne sie, wäre eine solche Karriere für ihn gar nicht möglich gewesen versichert mir Gottfried Böhm. „Sie hat leider nicht viel gebaut, aber ihre Projekte waren immer sehr schön, besonders ihre Wohnung in Paris.“ betont Gottfried Böhm. Elisabeth Böhm verstarb 2012 noch während der Dreharbeiten des Films über die Familie. Gerade deshalb ist der Film zu etwas ganz besonderem für den Architekten geworden, „Der Film gefällt mir sehr gut. Am besten finde ich natürlich, dass meine Frau darin zu sehen ist.“ .
Die kreativen Gene der Eltern wurden auch an die Kinder weitergegeben. Drei der vier Böhm Söhne, Stephan, Paul und Peter, wurden ebenfalls Architekten, der vierte Sohn, Markus, wurde Künstler. Alle drei Architektensöhne arbeiteten mit dem Vater im Büro und auch Markus Böhm verewigte sich bereits mehrmals in verschiedenen Gebäuden seines Vaters, erzählt Gottfried Böhm stolz. “Ich finde es schade, dass Markus nicht auch in dem Film vorkommt. Sie haben sich leider nur für die Architekten interessiert.”
Gottfried Böhm ist stolz auf sein Werk und auf das was seine Söhne weiterführen. Gemeinsam arbeiten die Böhms im Hause des Großvaters, jedoch leitet jeder der Architektensöhne heute sein eigenes Büro. Oft wird auch der Vater noch zu Rate gezogen, denn selbst im wohlverdienten Ruhestand lässt der kreative Schaffensdrang Gottfried Böhms nicht nach. Im Film ist zu sehen, wie der Architekt mit über 90 Jahren Städtevisionen auf Papier zeichnet, die junge Architekten ins Staunen versetzen. Zuletzt entwarf das Oberhaupt der böhmschen Familie das Hans Otto Theater in Potsdam, welches 2006 fertiggestellt wurde.
Die Böhms, haben bereits jetzt erfolgreiche Architekturgeschichte in dritter Generation geschrieben und die Geschichte scheint weiter zu gehen, denn es hat bereits der nächste Böhm sein Architekturstudium begonnen.
“Die Böhms – Architektur einer Familie”
Am 23. Januar feierte der Dokumentarfilm über die Kölner Architektenfamilie im Kölner Weißhaustheater seine Premiere. Am gleichen Tag feierte auch das Oberhaupt der Familie, Gottfried Böhm, seinen 95. Geburtstag. Dementsprechend groß war das Interesse an der Premiere.
Regisseur Mauritius Staerkle-Drux, ein Freund der Familie, verbrachte insgesamt zwei Jahre in Köln bei den Architekten und filmte sie während Ihres Alltags. Der Film dokumentiert das Leben einer Architektenfamilie, die sich bald über vier Generationen erstreckt. Im Mittelpunkt des Films steht Gottfried Böhm mit seiner Weltanschauung und Architektur. Auch die Söhne kommen zu Wort, doch nur schwer lässt sich ein Gesamtbild der Familie bilden. Schon seit langem sind auch die Söhne des Pritzker-Preisträgers sehr erfolgreich, doch es scheint nicht immer ganz einfach gewesen zu sein mit dem berühmten Vater und der Konkurrenz innerhalb der Familie. Ein großer Einschnitt für die ganze Familie ist der Tod von Elisabeth Böhm. Als Frau und Mutter war sie Dreh- und Angelpunkt der Familie und hinterlässt eine merkliche Lücke.
Gottfried Böhm entwickelte im Laufe seiner Karriere einen eigenen Baustil, welcher auch in den Projekten seiner Söhne zu erkennen ist. Manche seiner Bauten werden dem Expressionismus, mache dem Brutalismus zugeordnet, doch die Böhmsche Handschrift ist stets unverkennbar. Zu Recht kann man behaupten, die Böhms haben Architektur im Blut.
Vielen Dank, Herr Böhm, für das inspirierende Gespräch.
Autorin: Anika Beer B.A. Architektur