Postmoderne Architektur wendet sich gegen die Prinzipien des Funktionalismus der Moderne, gegen den Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellten Gestaltungsleitsatz des amerikanischen Architekten Louis Sullivan, dass sich die Form eines Gebäudes oder auch eines Gegenstandes von dessen Funktion ableiten solle. Dieser Leitsatz setzte Maßstäbe für die Architektur- und Designgeschichte der Moderne. Die Idee einer postmodernen Architektur entstand in den 1960er Jahren in den USA und verbreitete sich bis in die 90er Jahre in Europa, vereinzelt auch in Asien. Es wurde angestrebt, sowohl einer technisch und funktional dominierten Bauweise, als auch ideologischer und gestalterischer Universalität entgegenzuwirken.
Der architektonische Entwurf sollte sich auf menschliche Dimensionen, Affektivität und Emotion beziehen, sowie die individuelle Einbettung des Baukörpers in den städtebaulichen Kontext stärker berücksichtigen. Ziel dieser Konzeption war, der wachsenden Komplexität humaner Erfordernisse durch die Gestaltung des Baukörpers Ausdruck zu verleihen: Architektur als sinnliche, kommunikative Erfahrung, die über reine Betrachtung und Intellekt hinausgeht.
Der amerikanische Architekt und Architekturtheoretiker Charles Jencks, der initial den Begriff der Postmoderne auf die Architektur anwandte, ging noch einen Schritt weiter und formulierte den Anspruch an postmoderne Bausprache, dass sie metaphysische Inhalte aufweisen und kommunizieren sollte.
Im diesem Zusammenhang stellt sich die philosophische Frage, ob eine architektonische Manifestation von Metaphysik überhaupt realistisch sein kann. Um dies zu verneinen, soll im Folgenden insbesondere auf die Metaphysikkritik Nietzsches Bezug genommen werden.
Zwar gibt es in Nietzsches Werk nur vereinzelt Textstellen, die explizit etwas über Architektur aussagen, dennoch wird der Philosoph in der Architekturtheorie sowohl von Vertretern des Funktionalismus als auch des Postmodernismus, wenn auch unterschiedlich, rezipiert. Grundsätzlich ist der Begriff des Bauens bei Nietzsche als ein Synonym für einen fundamentalen Gestaltungswillen zu verstehen, der aus elementaren menschlichen Bedürfnissen resultiert.
Der Baukunst schreibt er eine eigene Wirklichkeit zu, in ihr manifestiert sich der Wille zur Macht: „Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren (…).“ Charles Jencks interpretiert möglicherweise eine derartige „Versichtbarung“ als Manifestation eines übergeordneten metaphysischen Prinzips, allerdings wirkt dieser Ansatz eher metaphorisch und besitzt keine philosophische Immanenz. Jencks selbst formuliert es – widersprüchlich zu seiner eigenen Idee – folgendermaßen im Hinblick auf die öffentliche Rezeption von Architektur: „Die Menschen betrachten ein Gebäude unweigerlich in Verbindung mit einem anderen Bauwerk oder einem ähnlichen Objekt, kurz: als Metapher.“ Nietzsche bezieht sich zudem in seiner Bemerkung über die Baukunst nicht auf metaphysische, sondern auf empirische bzw. psychologische Aspekte. Seine Auseinandersetzung mit den bildenden Künsten im Allgemeinen zielt eher auf den geistigen Entwurf, die Vision ab, weniger auf Perzeption und Kommunikation eines Kunstwerkes. Eine metaphysische Welt ist für ihn bereits vom Grundsatz her spekulativ, zwar ist die Existenz einer solchen Welt annehmbar, allerdings wäre diese Annahme in der empirischen Welt nicht überprüfbar und damit letztendlich zwecklos: „ Denn man könnte von der metaphysischen Welt gar Nichts aussagen, als ein Anderssein, ein uns unzugängliches, unbegreifliches Anderssein; es wäre ein Ding mit negativen Eigenschaften. – Wäre die Existenz einer solchen Welt noch so gut bewiesen, so stünde doch fest, dass die gleichgültigste aller Erkenntnisse eben ihre Erkenntnis wäre (…)“ Der Entwurf einer Architektur, die über die Natur des Menschen hinaus ihren Ursprung sucht, scheitert bereits bei dieser Überlegung. Jencks spricht zudem von einem „rhetorischen Ganzen“, und zielt damit auf die historisierenden Elemente postmoderner Baukunst ab, er spricht sich für einen „radikalen Eklektizismus“ aus, um diese Ganzheit zu repräsentieren. Zwar ist für die Postmoderne die Verwendung von Stilelementen und Motiven verschiedener Epoche charakteristisch, aber eben nicht ausschließlich um ein großes Ganzes darzustellen, z.T. ging es den Architekten auch um bewusste Dekonstruktion. Die Postmoderne lehnte, in Kritik an Moderne und ökonomischem Rationalismus, reinen Funktionalismus ab. Diese Bauweise wurde als traditionsnegierend und des Weiteren sogar als menschenfeindlich interpretiert. Tradierende, beispielsweise antike Bauzitate wurden ironisierend oder verfremdet integriert, in der Absicht, den Pluralismus gegenwärtiger Gesellschaften und Werte wie Toleranz und Freiheit abzubilden. Ob dies durch den meist willkürlich und substanzlos wirkenden Einsatz ironisch-eklektizistischer Stilelemente gelingen kann, bleibt fraglich und wird in der Architekturtheorie kontrovers diskutiert.
Insbesondere die Säule, als Prototyp eines antiken bzw. klassizistischen Zitates ist hier von Bedeutung. Die Tatsache, dass die antike Säule, ein zentrales Element des Tempelbaus, nach menschlichem Maß proportioniert wurde, spricht ebenfalls gegen ein metaphysisches Konzept. Und um die Metaphysikkritik Nietzsches aufzugreifen: Wenn bereits die Sprache als adäquater Ausdruck aller Realitäten anzweifelbar ist, kann erst recht die Bausprache der Postmoderne zwar Prinzipien menschlicher Dimensionen, aber keinesfalls metaphysischen Grundannahmen entsprechen.
Architektur kommuniziert nicht in metaphysischer, sondern in metaphorischer Hinsicht. Das – falls vorhandene – „Wesen“ des Bauwerks kann nicht in der empirischen Welt erscheinen, da das Verhältnis zwischen Objekt und wahrnehmendem Subjekt laut Nietzsche maximal ein ästhetisches sein kann, in Form einer Übertragung oder Übersetzung. Selbst eine permanente Wiederholung, um das Beispiel des Säulenzitats aufzugreifen, führt niemals dazu, dass ihre Perzeption durch das Subjekt in eine metaphysische Sphäre gelangt: „(…) das Hart- und Starrwerden einer Metapher verbürgt durchaus nichts für die Notwendigkeit und ausschließliche Berechtigung dieser Metapher.“ Nietzsche hatte durchaus selbst eine Affinität zum antiken Tempelbau – im Gegensatz zur Gotik, die er sowohl stilistisch als auch in ihrer Funktion als christliche Repräsentationsarchitektur ablehnte. Seine euphorische Beschreibung des Poseidontempels in Paestum: „Es ist uns beinahe noch so zu Muthe (…), als ob eines Morgens ein Gott spielend aus solchen ungeheuren Lasten sein Wohnhaus gebaut habe; anderemale als ob eine Seele urplötzlich in einen Stein hineingezaubert sei und nun durch ihn reden wolle.“, erfolgt aus subjektiver Perspektive. Eine andere als diese steht nicht zur Verfügung, „Wir sehen alle Dinge durch den Menschenkopf an (…).“
Der Ansatz von Charles Jencks ist aus zwei Gründen verfehlt: Zum einen entbehrt er philosophischer Konsistenz. Zum anderen bleibt ein radikaler Eklektizismus der Tradition verhaftet, anstatt die tatsächlichen kulturellen Gegebenheiten in eine zeitgemäße Bausprache umzusetzen. Die ruhige Eleganz einer Fassade aus poliertem Stahlbeton ist einer formalen Populärästhetik jedenfalls vorzuziehen.
Autorin: Claudia Bassier