Architekt Christof Schlegel
Strozzigasse 32-34/2/3
A-1080 Wien
Tel. +43(0) 664 1977 877
Christof.Schlegel@aon.at
www.office101.at
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01. Welche Art von Projekt würden Sie gerne realisieren ?
Es würde mich sehr reizen, ein Wohn- und Ateliergebäude mit mehreren Gemeinschaftsbereichen und einem Dachgarten in einer Baulücke von Tokio zu planen. Fast alle Häuser dieser Metropole sind durch schmale, oft marginale Zwischenräume voneinander getrennt. Ich würde versuchen bei der Entwicklung des Gebäudes und seiner Räume den Zwischenraum zu den benachbarten Gebäuden zum Thema zu machen.
02. Welche Rolle spielt der Architekt als Gestalter unserer Umwelt?
Die Rolle des Architekten sehe ich unter anderem darin, unabhängig von der Art und unabhängig vom Maßstab eines Bauprojekts einen möglichst kritischen Beitrag zur Lösung räumlicher, sozialer und ökologischer Fragen zu leisten. Die Erarbeitung dieser Lösungen erfolgt niemals unabhängig, sondern im unmittelbaren Dialog mit den Menschen, für die gebaut wird oder mit denen gebaut wird. Für mich sind neben der Qualität, auf Bedürfnisse und den Alltag der Nutzer einzugehen, die Fragestellungen entscheidend, die ein Projekt in Bezug auf die Gestaltung unserer Umwelt aufwerfen kann.
03. Was ist Ihre ganz persönliche Architektur – Philosophie?
Für meine Arbeit als Architekt spielen sich überschneidende Bereiche zwischen Architektur und Kunst eine wesentliche Rolle: Nach meiner Architekturausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in Wien konnte ich neben meiner Tätigkeit als Architekt Methoden, Strategien und eigene Praktiken stadträumlicher Interventionen entwickeln. Diese persönliche Suche nach einer Verbindung von Kunst und Architektur hat bisher im Rahmen von Ausstellungsprojekten und zum Teil während längerer Aufenthalte in den USA sowie in Japan und in China stattgefunden.
Grundlage für die Entwicklung meiner Projekte im Bereich bildender Kunst ist die Analyse und der Vergleich räumlicher, sozialer und ökologischer Veränderungen europäischer, amerikanischer und asiatischer Städte. Meine Recherchen beziehen sich dabei auf städtische Repräsentions- und Imagepolitik, mediale Konstruktion(en) von Stadt und die damit verbundenen Produktion von Subjekt- und Körperbegriffen sowie die Rolle von domestizierter Natur im Stadtraum.
Im Rahmen des MAK Schindlerstipendiums in Los Angeles habe ich gemeinsam mit Christian Teckert eine Arbeit zum Filmbild der Stadt realisiert. Ausgehend von realen Orten haben wir in Kamerafahrten das flüchtige Eindringen in filmische Orte und den Handlungen in diesen thematisiert.
In Tokio konnte ich mich im Rahmen eines halbjährigen Aufenthaltes mit den teils zugänglichen, genutzten und teils unzugänglichen, nur spaltbreiten anfangs erwähnten Zwischenräumen zwischen den Häusern Tokios auseinandersetzen. Die „Sukimas“ bilden aus der Vogelperspektive ein zusammenhängendes Netz, einen weitverzweigten Negativraum, der durch die städtische Bebauung entsteht.
Dieses Feld einer mit Architektur auf vielen Ebenen verbundenen künstlerischen Auseinandersetzung bildet für mich persönlich den theoretischen Hintergrund und ein weites Erfahrungspotential; ein Pool, aus dem ich für meine Architektur-Praxis ständig schöpfe.
04. Was möchten Sie den Bewohnern / Nutzern Ihrer Gebäude vermitteln?
Menschen die ein Gebäude bewohnen oder in diesem arbeiten, entwickeln ihr eigenes, individuelles Verhältnis zu diesem. Ich denke, gute Architektur vermittelt sich als Medium von selbst. Soll ein differenziertes Verhältnis zwischen Gebäude und NutzerInnen entstehen, ist die Gestaltung der Übergänge zwischen innen und außen, zwischen öffentlich und privat, zwischen Gebautem und Natur, zwischen zwei verschiedenen Materialien entscheidend.
05. Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten ?
Materialien und Farben existieren in der Architektur niemals alleine. Die Spannung
verschiedener Materialien ergibt sich in ihrer Kombination. Material sollte die richtige Antwort auf die jeweilige bauliche Anforderung sein. Ich habe keine Präferenz für ein
bestimmtes Material, arbeite aber gerne mit Holz. Das hat zum Teil mit eigenen Wohnerfahrungen zu tun. Ich bin einem Haus des österreichischen Architekten Josef Lackner aufgewachsen, das innen großteils aus Holz besteht. Das unverwechselbare Knarren der tonnengewölbeförmigen Sperrholzdecke ist für mich eine bleibende Kindheitserinnerung. Ich hatte auch die Möglichkeit ein halbes Jahr lang in einem traditionellen japanischen Holzhaus in der Kanagawa Präfektur bei Tokio zu verbringen. Holz ist ein erneuerbares Material. Es hat für mich die Konnotation von Leichtigkeit, die ich sehr schätze und die sich in besonderer Weise in den Gebäuden traditioneller japanischer Architekur zeigt.
06. Welchen Stellenwert hat neben dem Gebäude der Ort, an dem das Bauwerk
entsteht?
Es gibt verschiedene Strategien, sich auf einen Ort zu beziehen: Die Bedeutung des Ortes variiert mit der Art des Projektes: Ein Gebäude kann als Katalysator Wechselwirkungen zwischen Gebäude, seinen sozialen Abläufen und dem Ort verstärken. Ein Bauwerk kann einen Ort durch einen anderen, zB virtuellen Ort, ersetzen, Unsichtbares, Unbewusstes oder Verdrängtes eines Ortes zum Vorschein bringen oder den Ort ganz ausblenden.
Ein Schlüsselerlebnis in Bezug auf die Frage des Ortes war mein Diplomprojekt bei bei Massimiliano Fuksas: Bei der Entwicklung einer baulichen Verbindung zweier Stadtteile in Rom habe ich mich nach längerer Suche entschlossen, für die Entwicklung der Baukörper ein räumliches Rastersystem einzuführen, das auf sich kreuzenden Strängen, ähnlich Viadukten oder Aquädukten, basiert. Durch Zufall bin ich später auf eine Abbildung gestossen, die genau im Projektgebiet zwei bis ins
18. Jahruhundert existierende, sich kreuzende Aquädukte darstellte. Diese Erfahrung war für mich eine Bestätigung, dass die Auseinandersetzung mit einem Ort unbewusste bzw. unsichtbare Qualitäten zum Vorschein bringen kann.
Ein Versuch, die Bezeichnung eines Ortes architektonisch zu übersetzen, ist die Gestaltung eines Geschäftslokals in Brunn am Gebirge, südlich von Wien. Im Laufe des Entwurfsprozesses hat sich letztendlich herauskristallisiert, das Thema des “Gebirges” in der Ortsbezeichung in die Innenraumgestaltung miteinzubeziehen: Einbauten, die Berg- oder Felsformationen ähnlich sind, prägen seitdem das räumliche Erscheinungsbild.
07. Welches Ihrer Projekte oder Objekte ist für Sie besonders wichtig?
Neben den Kunst am Bau Projekten, die ich großteils gemeinsam mit der Künstlerin Almut Rink realisiert habe, nimmt für mich der Zubau und die Sanierung eines bestehenden Privathauses im Burgenland einen besonderen Stellenwert ein. Bei diesem Projekt war es schwierig, die Bauherren vom Zubau und der Sanierung des Bestandsgebgebäudes gegenüber einem Neubau zu überzeugen. Der Zubau besteht aus unterschiedlichen Volumen mit einer Außenhaut aus Lärchenholz. Die Volumen stellen vielschichtige Übergänge zwischen dem weitläufigen Garten bis zum Inneren des usprünglichen Hauses her. Der zentrale Bereich der Wohnküche öffnet sich unmittelbar auf der Höhe einer Krone eines Nussbaumes.
08. Was ist Ihr Leitmotiv beim Planen und Bauen?
Planung bedeutet Integration und Verarbeitung vielfältiger Ideen und Meinungen. Ich orientiere mich bei der Planung am Dialog, an möglichst gleichberechtigter Kommunikation und der Beteiligung aller am Planungsprozess. Starre Leitmotive können meiner Meinung nach eine unvoreingenomme Herangehensweise in der Konzeption beeinträchtigen. Die Offenheit und Flexibilität, die für einen positiven Planungsprozess und für eine gute Ausführung erforderlich ist, kann dabei verloren gehen.
Als Leitmotiv in Bezug auf Planen und Bauen würde ich jedoch folgende Maxime von Alvar Aalto akzeptieren, auf die ich vor kurzem, während einer Arbeit, gestossen bin:
„Es gibt nur zwei Dinge in der Architektur: Menschlichkeit oder keine.“
09. Was reizt Sie besonders am Umbauen und Modernisieren?
Im Unterschied zur „Tabula Rasa“ eines leeren Grundstücks, auf dem ein Neubau entstehen soll, kann eine bestehende Situation mit ihrer Gebundenheit an soziale, kulturelle und bauliche Gegebenheiten eine Chance darstellen: Das Situative birgt neue Inhalte. Im Entwurfsprozess können in der Auseinandersetzung mit dem Bestand oft neue Wissensresourcen herangezogen werden. Die Wechselwirkungen aus Gegebenem und Neuem verleihen einem Architekturprojekt eine zusätzliche Spannung und oft die notwendige Erdung und Bodenhaftung.
10. Wovon lassen Sie sich inspirieren?
Eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen sind Reisen, die mich im Zuge meiner Projekte im Kunst- und Architekturbereich und zum Teil über längere Zeiträume in Städte wie Los Angeles, Tokio, Peking, Nanjing oder Shanghai geführt haben. Ich konnte während dieser Aufenthalte durch die Begegnung mit anderen Alltagskulturen und dort lebenden Menschen wertvolle Erfahrungen in Bezug auf eigene Alltagsgewohnheiten und Muster sowie auf Unterschiede zur europäischen Baukultur gewinnen. In Japan und China hat sich vor allem meine Sichtweise auf Schwellen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit gravierend verschoben.
Bei meinem nächsten Aufenthalt in Shanghai bin ich nicht mehr irritiert, wenn die Frau vor mir an der Supermarktkassa im wattierten Schlafanzug zahlt, sich anschliessend auf ihr Fahrrad begibt und im Pyjama mit Blumenmuster ihren Weg nach Hause antritt.